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Winkeldreiteilung (Dürer)
Albrecht Dürer gibt in seiner Unterweisung der Messung
(Nürnberg 1525) eine Anleitung,
wie man die Kantenlänge eines gegebenen Würfels so vergrößert, damit sich das entsprechende Würfelvolumen genau verdoppelt.
Danach beschreibt er die Verallgemeinerung auf eine beliebige (ganzzahlige) Vervielfachung.
(D.h. er beschreibt eine geometrische Konstruktion der Lösung k von 2a³=(ka)³, also k=³√2, bzw.
k=³√n. Eine exakte Konstruktion ausschließlich mit Zirkel und Lineal
ist unmöglich.)
Überraschenderweise (und entgegen mancher Darstellung in der Literatur bzw. im Internet)
ist Dürers Lösung tatsächlich exakt, und zwar nicht nur der Verdoppelung, sondern auch
der Verallgemeinerung auf eine Ver-n-fachung des Volumens! Ein elementarer Beweis (Schulmathematik) der Richtigkeit ist
hier zu finden.
Das Verfahren krankt lediglich an der Ungenauigkeit, die der
konkreten Durchführung (Ausprobieren und genaues Hinschauen) zwangsläufig innewohnt. Wenn man ein Lineal (Dürer schreibt
Richtscheit
) nimmt, das man an D und mit dem Skalenmittel genau auf der Linie AC halten muß,
ist es noch viel schwieriger als in der interaktiven Darstellung dieser Seite, wo die Skala automatisch gemittelt und das
Lineal
automatisch an D entlanggeführt wird.
Am besten klicken Sie rechts die Konstruktionsschritte nacheinander an, sie werden dann in der Abbildung dargestellt.
Im dritten Schritt kann man dann interaktiv in der Graphik die richtige Position für I finden (siehe Beschreibung).
Die vierte, letzte Ansicht ist ebenfalls interaktiv und ermöglicht ein Verschieben von I mit entsprechender Kontrolle über die
resultierenden Werte.
Unter der Darstellung findet man das Faksimile und die Umschrift. Quelle: →originale Anleitung →Fortsetzung und Abbildung
Die Verallgemeinerung auf eine Ver-n-fachung ist →hier dargestellt.
Klicke auf den jeweiligen Absatz, um die entsprechende Konstruktion (bis dahin) zu sehen.
Zeichne einen Thaleskreis, dessen Radius der doppelten Würfelkante (also 2a) entspricht.
Halbiere die Höhe. Beschrifte die Punkte wie in der Graphik. Zeichne eine Strecke von E durch B bis zum Kreisbogen. Beschrifte diesen Kreispunkt mit F.
Nun wird es leider
Nun zeichne einen weiteren Thaleskreis über einer (waagerechten) Grundlinie, die aus zwei Abschnitten mit den Längen
a |
So man ...
... und jren zirden dinet.
Als auf eine zeyt die stat Athenis mit der plag der pestilenz beschwert / was fragten die burger den Abgot Apollinem rates /
wie die deß seuchens möchten abkommen / der anwurdet jn / wenn sie seinen altar zwispalten / würden sie erlöst / also liessen sie
ein stein machen der eben so groß was als der altar / legten jn auf den selben / als aber die plag nit aufhören wolt / fragten
sie den Abgot wider wie das zů gieng so sie doch sein geheyß folbracht hetten / der antwurt jn sie hetten nit gehandelt wie
er sie geheyssen het / sondern hetten den altar gar vill grösser dann noch einmal genach // als aber jr werckleut nit finden
konten wie sie der sach solten thů / hetten sie der gelerten und in sonders deß philosophen Platonis ratt der leret die
wie sie zwischen zweyen ungleychen fürgebnen linien zwo ander linien die sich vergleychlich gegen den selben hielten solten
finden / dann durch soliches mochten sie den cubum / dz ist ein vierecket corpus wie ein würffel / und alle andre ding dupiciren
tripliciren / und für und für meeren und vergrössen die weyl nůn solichs ein ser nutz kunst ist und allen werckleuten dient /
auch von den gelerten in grösster geheim und verporgenheyt gehalten wirt / wil ich die an den tag legen und leren machen /
dann auß diser kunst kan man puxen und kloken giessen die sich vergrössen und dupliciren wie man wil / und doch alweg jr rechte
proporcion / auch jr gewicht behalten / deß gleychen kan man durch die fesser / druhen / mes / reder / zimer / pild und was man
haben will vergrossen. Darumb nem ein yeglicher werckman der acht die weyl die piß auf disen tag als ich acht in Teutscher sparch
(sprach) nie beschriben ist worden.
Erstlich / sez zwen gleych cubos oder würffel an einander .a.b.c. die selb leng a.c. setz aufrecht zu gleychen wincklen
auf ein zwerch lini .d.e. und reyß auß dem Centrum .c. ein halben cirkel .d.a.e. Darnach reyß ein gerade lini auß dem .e.
durch das .b. piß an die cirkellini / da hin setz ein .f. Darnach nim ein schmal richtscheyt und zeychen darauf ein mittel puncten /
und teyl von dann auf bede seyten grad mit zifferen / und setz die zal auf ein seyten wie auf die anderen / das auf yetlicher
seyten deß mittel puncten / die erst zal eins an fahe / dann durch das richtscheytz bewegung must du finden / die erst lini dardurch
die ander funden wirt zů dem zwifachen cubo. Darnach leg das forgemacht richtscheyt mit der einen seyten auf den puncten
.d. und laß das stetz daran haften / es schieb sich auf und nider / und so du das ander teyl des richtscheyt bewegst / so peleybt
mit dem mittel puncten das richtscheyt albeg auf der lini .a.b.c. und beweg das richtscheyt so lang biß das du ein mittel findest
zwischen der lini .e.f. und des cirkelryß / und wo das beweglich richtscheyt durch schneydet die lini .e.e. da setz ein .g. und
wo es durch schneydet die lini .a.b.c. da setz ein .h. und wo das egedacht richtscheyt aussen den cirkelryß rüret da setz ein .i.
also werden .g.h. und .h.i. zwo geleyche lenge / so ist dann .h.c. die erst gefunden lini darauß zů finden ist die seyten
des zwifachen cubi. Darnach setz die lini .h.c. und die seyten von dem einfachen cubo .a.b. zwerchs an einander / darauß wirt
.a.h.c. unnd setz ein cirkel mit dem einen fues in die mitt .a.c. unnd reuß oben herumb ein halben cirkel .a.c. Darnach zeuch auß dem
.h. ubersich ein aufrechte lini biß an den cirkelriß / da setz ein .k. dise lini .k.h. gibt dir ein seyten zu dem zwifachen cubo /
wie jch das hernach hab aufgerissen.
Anmerkung: Die sonderbare Geschichte, die Dürer hier einführend und das Problem motivierend gleichsam als unterhaltsamen Appetizer
bringt,
fußt auf mehrfacher antiker Überlieferung (darunter insbesondere Eratosthenes und Plutarch), wird dort aber nicht den Athenern, sondern den Einwohnern der Insel Delos zugeschrieben,
die angesichts einer Seuche ein Orakel um Rat befragten, das ihnen dann die exakte Volumenverdoppeltung eines gewissen kubischen Altars anempfohlen habe.
Nach der Insel Delos heißen die drei antiken Probleme dieser Art neben der Würfelverdoppelung sind das
noch die Winkeldreiteilung (→ Dürers Näherung) und die Quadratur des Kreises die drei Delischen
Probleme. Daß Dürer die Geschichte anführt, zeigt, daß er wohl Kenntnis antiker Fachliteratur hatte, aber vermutlich nur indirekt.
Über welche Vermittlung? Was waren also seine Quellen? Das könnte man vielleicht tatsächlich anhand der speziellen Überlieferung dieser Legende klären.
Und noch nebenbei angemerkt: Angesichts der derzeitigen (2021) Pandemiesituation könnte ein Orakel möglicherweise den Beweis der Riemannschen Vermutung ... ach, naja.
Das Volumen des Würfels (bzw. jeden Körpers) kann laut Dürer verdreifacht, vervierfacht etc. werden, indem man für den Radius des ersten Thaleskreises das entsprechende Vielfache wählt, also für eine Ver-n-fachung das n-fache der Würfelkante a.
Will du nůn den cubum dryfalten / vierfachen / oder so vil du wild ergrösseren / dz mach durch den
for beschribnen weg / doch wie hernach folget.
Erstlich nim die leng dreyer cubus .a.b.c.d. und stos die an einander / und stell dise lini a.d.
aufrecht zů gleychen wincklen auf ein zwerch lini. f.e. und reyß auß dem Centrum .d. ein cirkelryß .f.a.e. ...
Ich bleibe hier bei den oben (Würfelverdoppelung) verwendeten Bezeichnungen.
Der Punkt B auf der Mittelachse CA hat dann also die Höhe a und teilt ihn gemäß des gewünschten Vervielfachungsfaktors n. (Eine Beschränkung auf ganzzahlige Vielfache ist übrigens gar nicht notwendig. Daher sind hier auch gebrochene n möglich.) Der zentrale Trick des Verfahrens bleibt gleich: Die Strecke DI ist so zu legen, daß |GH|=|HI| ist.
n = 3
Position von I
:
automatisch → h=³√n
|GH|/|HI| =
V1 = ·a³
h = ·a
© Arndt Brünner, 18. 6. 2021
Version: 9. 7. 2021
Albrecht Dürer, 1522
Aus einer Metallstiftzeichnung Christus als Schmerzensmann
Möglicherweise ein Selbstbildnis
Ehemals Kunsthalle Bremen, Kriegsverlust