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Herons Formel für den Flächeninhalt des Dreiecks

Heron von Alexandria lebte im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung und beschäftigte sich vor allem mit Geometrie und der angewandten Mathematik im Vermessungswesen. Er bewies in seiner Schrift Metrika eine Formel zur Berechnung der Dreiecksfläche, die von der heute üblicherweise verwendeten Formel A=½·g·h abweicht. Laut arabischer Quellen geht seine Formel bis auf Archimedes zurück. Die Formel ermöglicht, die Dreiecksfläche allein aufgrund der drei Seitenlängen des Dreiecks zu berechnen, ohne eine Höhe zu kennen. Sonderbarerweise ist sie trotz dieses Vorteils weitgehend unbekannt und kommt im Schulunterricht meist nicht vor. Wahrscheinlich ist der Grund, daß die Quadratwurzel gezogen werden muß, und die "darf" ja in der Schule nicht vor der 9. Klasse auftauchen. Auch bietet sich keine anschauliche Herleitung an — der hier vorgeführte Beweis ist für normale Mittelstufenverhältnisse wohl schon zu anspruchsvoll, obgleich er mit den in der 9. Klasse bekannten geometrischen und algebraischen Mitteln auskommt.

Die Formel lautet folgendermaßen:

ADreieck =     (1)

wobei s die Hälfte des Umfangs ist:

s := (a + b + c)/2

Berechnungsbeispiel

Gegeben sei ein Dreieck mit den Seiten a=4cm, b=6cm und c=7,2cm.

Berechne zunächst s = (a + b + c )/2 = (4 + 6 + 7,2)/2 = 17,2/2 = 8,6.

Berechne dann A = (s·(s-a)·(s-b)·(s-c)) = (8,6·(8,6-4)·(8,6-6)·(8,6-7,2)) = (8,6 · 4,6 · 2,6 · 1,4) = 143,9984 = 11,9999333331481... ~ 12.

Das Dreieck besitzt den Flächeninhalt 12cm² (auf Tausendstel gerundet).

 

Beweis

Ich werde nun zeigen, daß Herons Formel mit der bekannten Flächenformel äquivalent ist. Das Ziehen der ausschließlich positiven Quadratwurzel unter Vernachlässigung der negativen Wurzel ist bei geometrischen Sujets zulässig, da negative Strecken nicht von Belang sind.

Gebraucht wird der Satz von Pythagoras. (In rechtwinkligen Dreiecken heißen die Seiten, die den rechten Winkel bilden, Katheten, und die dritte Seite, die dem rechten Winkel gegenüberliegt, heißt Hypotenuse. Wenn man die Katheten jeweils quadriert, so ist die Summe ihrer Quadrate gleich dem Quadrat der Hypotenuse.)

(Heron selbst bewies die Formel anders. Seinen Beweis werde ich vielleicht noch nachreichen.)
 

Wir betrachten ein Dreieck mit den Seiten a,b,c und der Höhe h auf a:

Der Fußpunkt der Höhe teilt die Strecke a in die Abschnitte p und q. Außerdem teilt die Höhe das Dreieck in zwei rechtwinklige Teildreiecke.

Im linken davon gilt nach Pythagoras: (2)
Nach p2 umgeformt: (3)
Im rechten Teildreieck gilt: (4)
Da a=p+q, ist q=a-p.
q wird in (4) durch a-p ersetzt:
(5)
Die Klammer wird aufgelöst (2. binomische Formel): (6)
Nun wird p durch die rechte Seite aus (3) ersetzt:    (7)
h2 und -h2 heben sich gegenseitig auf: (8)
Der Summand mit der Wurzel wird isoliert: (9)
Die Gleichung wird quadriert, um die Wurzel zu beseitigen: (10)
Die Gleichung wird durch Division mit 4a2, Subtraktion von c2 und Multiplikation mit -1 nach h2 umgeformt:   (11)
Ziehen der Quadratwurzel ergibt für die Höhe: (12)

In die bekannte Flächenformel mit a als Grundseite und der Höhe h auf a (13)
...setzen wir die linke Seite von (12) für h ein: (14)
Der Faktor a/2 wird im Quadrat in die Wurzel gezogen: (15)
Ausmultiplizieren und Kürzen von a2 im rechten Summanden:     (16)
Erweitern des linken Bruchs mit 4 auf 16tel, Auflösen der Quadratklammer und Schreiben auf einen Bruchstrich: (17)
Vereinfachen und Umsortieren: (18)

Nun betrachten wir die Heronsche Formel. (Siehe (1)) (19)
Wir ersetzen s durch (a+b+c)/2: (20)
Da a/2 - a = -a/2 (analog für b und c), vereinfacht sich dieses zu: (21)
Die Klammern können weggelassen werden. (22)
Ausmultiplizieren und Vereinfachen ergibt: (23)

Vergleiche die Gleichungen (18) und (23). Sie sind identisch. (18) beruht auf der Teilung des Dreiecks in zwei rechtwinklige Dreiecke, wodurch h berechnet und in die Formel A=½·g·h eingesetzt werden konnte.
(23) beruht auf der Heronschen Formel. Wenn beide Ansätze zu identischen Gleichungen führen, sind sie äqivalent, d.h. Herons Formel ist zur bekannten Formel äquivalent!


Bleibt zu klären, ob die Formel auch in Dreiecken gilt, bei denen die Höhe außerhalb des Dreiecks liegt bzw. mit einer Seite zusammenfällt.

Beide Fälle sind schnell erledigt:
          

  1. Wenn die Höhe außerhalb liegt, so ergibt sich p = a + q, d.h. q = p - a = -(a - p)

    In Gleichung (5) wird die Diffenz (a-p) quadriert. Das Quadrat von -(a-p) oder (p-a) ergibt aber dasselbe, nämlich ebenfalls a2 - 2ap + p2.

    Ab (6) ist der Weg also wieder identisch.

  2. Wenn h=b, dann lautet die herkömmliche Flächenformel (siehe (13)): A=½·a·b   (24).
  3. Da das Dreieck in diesem Falle rechtwinklig mit c als Hypotenuse ist, gilt c2 = a2 + b2, und der Zähler in Gleichung (23) vereinfacht sich folgendermaßen:

    -a4 - b4 - c4 + 2a2b2 + 2a2c2 + 2b2c2                (Zähler aus 23)
    = -a4 - b4 - (a2 + b2)2 + 2a2b2 + 2a2(a2 + b2) + 2b2(a2 + b2)
    = -a4 - b4 - a4 - 2a2b2 - b4 + 2a2b2 + 2a4 + 2a2b2 + 2a2b2 + 2b4
    = 4a2b2

    Damit vereinfacht sich (23) insgesamt zu (4a2b2/16) = (a2b2/4) = a·b/2, und das ist dasselbe wie (24).


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    © Arndt Brünner
    Dreiecksberechnung
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    Version: 20. 3. 2003