Die Kurve, die eine zwischen zwei Punkten frei hängende Kette beschreibt, scheint auf den ersten Blick eine Parabel zu sein. Sogar Galileo Galilei hielt sie dafür. 1646 konnte der damals erst siebzehnjährige Christian Huygens (1629-1695) beweisen, daß das nicht sein kann, ohne jedoch die richtige Funktionsgleichung für die Kurve zu finden.
Im Jahre 1690 stellte Jakob Bernoulli in den Acta eruditorum die alte Herausforderung erneut
in den Raum:
Problema vicissim proponendum hoc esto:
Invenire, quam curvam referat funis laxus & inter duo puncta fixa libere suspensus.
Sumo autem, funem esse lineam in omnibus suis partibus facillime flexilem. (a.a.O., S. 219)
Erneut sei dieses Problem gestellt: Herausfinden, welche Kurve ein schlaffes und zwischen
zwei Punkten frei aufgehängtes Seil wiedergibt. Ich nehme natürlich an, daß das Seil eine Kurve ist, die
in allen ihren Teilen ganz flexibel ist.
Im Juni des folgenden Jahres wurden in den Acta eruditorum (Leipzig 1691,
Die Kettenlinie ist eine Funktion der Form
Im Applet rechts oben wird die Kettenlinie berechnet und dargestellt. Die Aufhängepunkte der Kette können mit der Maus verschoben werden. Optional können die beiden achsensymmetrischen Exponentialfunktionen zugeschaltet werden, deren Summe die Kettenlinie ist. Hierbei wird auch eine virtuelle x-Achse gezeichnet. Außerdem kann ein Parabelbogen gleicher Länge angezeigt werden. Man erkennt sowohl die relative Ähnlichkeit der Kurven, als auch den kleinen, aber deutlichen Unterschied.
Bei der o.g. Gleichung
Die beiden Konstanten b und c in
1. Hinweis
Die Berechnung der Parabel ist überraschenderweise keineswegs einfacher
als die der Kettenlinie.
Die verwendete Gleichung, mit der über ein Intervallschachtelungsverfahren
der quadratische Koeffizient a der Parabel
2. Hinweis
Nicht alles wird schlechter! Die Anwendung neuester Erkenntnisse der Materialforschung
garantiert nunmehr erfreulicherweise, daß die Ketten nicht mehr reißen (wie sie das früher in der
Java-Applet-Version zu tun beliebten). Mancher User, der kindliche Freude an der Zerstörung hatte
und nun den unwiderstehlichen Reflex verspüren mag, seiner Enttäuschung mindestens durch ein Fallen der Mundwinkel
Ausdruck zu verleihen, findet, sofern es sein Spieltrieb mit seinem Zerstörungstrieb aufzunehmen vermag,
hoffentlich Trost darin, daß die neuen Ketten nun hochelastisch sind..
Anmerkungen | |
1) | In den noch zu Lebzeiten (1742) erschienenen Opera omnia Johann Bernoullis (1667-1748) ist vélaire zwar im Stichwortverzeichnis aufgeführt, in den beiden Fundstellen I-60 und II-94 findet sich jedoch dieser Begriff nicht. |
Literatur/Quellen:
© Arndt Brünner, 12. 3. 2004
Version (Text): 15. 1. 2005,
(28.5.2009 und 20.1.2018)
interaktive Graphik: 20. 1. 2018
eMail:
Java-Version
Große Version
Ein geeigneter Startwert für ξ im Newtonverfahren,
der gleichzeitig eine recht gute Approximation darstellt (vergleiche Berechnungsbeispiel unten),
wird für
ξ0 = 2,40130800537·√k - 0,0101136922245·k³ + 0,100480409267·k² + 0,194430685551·k
oder für 3 ≤ k ≤ 4,6 durch:
ξ0 = 2,34700936722314·√k - 0,000043201861135·k5 + 0,001061518500719·k4 - 0,011778515031033·k3 + 0,084808573148006·k2 + 0,263009458977759·k
Dann ergeben sich
a = 2ξ/(x1-x0)
b = (x0+x1)/2 - ln((√(exp(2·a·x0) + exp(a·(x0 + x1))·(a2·(y1 - y0)2 - 2) + exp(2·a·x1)) + a·exp(a·(x0/2 + x1/2))·(y1 - y0))/(exp(a·x1) - exp(a·x0)))/a
c = -(exp(a·(b-x0))+exp(a·(x0-b)))/(2a) + y0
Zur Kontrolle kann die entsprechende Bogenlänge berechnet werden:
L = exp(a·b)(exp(-a·x0)/(2a)-exp(-a·x1)/(2a))+exp(-a·b)·(exp(a·x1)/(2a)-exp(a·x0)/(2a))
Berechnungsbeispiel mit Näherungswert für ξ nach o.g. Formel: geg.: x0 = -1 x1 = 2 y0 = 5 y1 = 3 L = 7 k = ln(√(L2-(y1-y0)2)/(x1-x0)) = ln(√(49-(-2)2)/3) = 0,80471895621705 ξ = 2,40130800537·√k - 0,0101136922245·k3 + 0,100480409267·k2 + 0,194430685551·k = 2,37038048657715 a = 2ξ/(x1-x0) = 2·2,37038048657715/3 = 1,5802536577181 b = (x0+x1)/2 - ln((√(exp(2·a·x0) + ... = 0,685853230556717 c = -(exp(a·(b-x0))+exp(a·(x0-b)))/(2a) + y0 = 0,4360682810323539 L'= exp(a·b)(exp(-a·x0)/(2a)-exp( ... = exp(1,5802536577181·0,685853230556717)·(exp(-1,5802536577181·(-1))/(2·1,5802536577181)-exp(... = 7,00446000601806 Beachte die Abweichung zu L=7 (0,064%)!
Gleichung für die Berechnung des quadratischen Koeffizienten der Parabel
bekannt sind wieder x0, x1, y0, y1 und L. Approximiert werden muß die positive Lösung für a der folgenden
Gleichung, die das aufgelöste, o.g. Integral, also die Bogenlänge der Parabel ist:
L=((x0-x1)·ln((√(a2·(x0-x1)2·(x02-2·x0·x1+x12)+2·a·(x0-x1)2·(y1-y0)+x02-2·x0·x1+x12+(y0-y1)2)-a·(x0-x1)2+y0-y1)/(√(a2·(x0-x1)2·(x02-2·x0·x1+x12)+2·a·(x0-x1)2·(y0-y1)+x02-2·x0·x1+x12+(y0-y1)2)+a·(x0-x1)2+y0-y1))/(4·a)+((a·(x0-x1)2-y0+y1)·√(a2·(x0-x1)2·(x02-2·x0·x1+x12)+2·a·(x0-x1)2·(y1-y0)+x02-2·x0·x1+x12+(y0-y1)2)+(a·(x0-x1)2+y0-y1)·√(a2·(x0-x1)2·(x02-2·x0·x1+x12)+2·a·(x0-x1)2·(y0-y1)+x02-2·x0·x1+x12+(y0-y1)2))/(4·a·(x1-x0)))/(x1-x0)
Etwas angenehmer wird die Sache, wenn x1 durch x0+dx und y1 durch y0+dy ersetzt werden:
L=(-dx·ln((√(a2·dx4+2·a·dx2·dy+dx2+dy2)-a·dx2-dy)·(√(a2·dx4-2·a·dx2·dy+dx2+dy2)-a·dx2+dy)/dx2)/(4·a)+(a·dx2-dy)·√(a2·dx4-2·a·dx2·dy+dx2+dy2)/(4·a·dx)+√(a2·dx4+2·a·dx2·dy+dx2+dy2)·(dy/(4·a·dx)+dx/4))/dx
Achtung:
Es kann keine Garantie oder Gewährleistung für Schäden,
die durch die Anwendung der Informationen auf dieser Seite (speziell der Näherungsformel)
entstehen, übernommen werden!
Dies gilt zwar für die gesamte Homepage, aber wegen der technischen Bedeutung der
Kettenlinie weise ich hier besonders darauf hin.