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Logarithmische Spiralen (1)

Spira mirabilis

Seitenverhältnis

Spirale
Konstruktion des Pols
Ortskurve des Pols

automatisch einpassen

Jakob Bernoulli (1654-1705), einer der bedeutendsten Vertreter der an Mathematikern zahlreich gesegneten Basler Familie Bernoulli, — das Bernoulli-Experiment wurde dank seiner bedeutenden Leistungen auf dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung nach ihm benannt — war von der logarithmischen Spirale so angetan, daß er den lateinischen Spruch eadem mutata resurgo auf seinem Epithaph, um eine (leider vom Steinmetz verdorbene) logarithmische Spirale herum anbringen ließ: ich lasse durch Veränderung stets das gleiche wiederentstehen.

Tatsächlich bleibt die Gestalt jeder logarithmischen Spirale, bei der die Länge des Radiusvektors exponentiell mit dem Drehwinkel zunimmt, invariant bei jeder Streckung um seinen Polpunkt. Das ist in der Tat eine wundersame (mirabilis) Eigenschaft. Insofern verdiente eigentlich jede logarithmische Spirale die Bezeichnung spira mirabilis, jedoch wird damit oft speziell jene Spirale gemeint, die von sogenannten goldenen Dreiecken erzeugt wird.

Die Diagonalen im regelmäßigen Fünfeck stehen mit dessen Kantenlänge im Streckenverhältnis des goldenen Schnitts: 1,618... zu 1, um genau zu sein, x=5+12 als positive Lösung der Verhältnisgleichung x+1x=x1, die äquivalent ist zur quadratischen Gleichung x²=x+1. Man bezeichnet diesen Wert meist mit ϕ (phi), wohl zu Ehren des berühmten antiken griechischen Bildhauers Phidias (Φειδίας).

Das goldene Dreieck kann dem regelmäßigen Fünfeck einbeschrieben werden; es ist gleichschenklig, und seine Schenkellängen stehen im Verhältnis des goldenen Schnitts (ϕ) zu seiner Basis.

Nun kann, ähnlich wie bei den Rechtecken auf →dieser Seite, nicht nur von goldenen, sondern von jedem gleichschenkligen Dreieck ein ähnliches Dreieck abgetrennt werden, indem man eine Strecke von einem Basispunkt im Spitzenwinkel gegen die Basis zur gegenüberliegenden Seite einzeichnet. Von diesem wieder und so weiter, ad infinitum. Da sich diese Dreiecke mit dem (konstant bleibenden) Seitenverhältnis verkleinern und jeweils um den gleichen Winkel gedreht sind (nämlich um 180°−Basiswinkel), ist plausibel, daß auch hier die Abstände der Spitzen zu einem gewissen Polpunkt exponentiell wachsen, sie also auf einer logarithmischen Spirale liegen.

Die Konstruktion des Pols entnehme man der interaktiven Graphik rechts. Dort kann man die Eckpunkte des Dreiecks mit der Maus ziehen oder auch das Seitenverhältnis mit dem Schieberegler einstellen.

Interessanterweise liegen die Polpunkte bei gleichbleibender Basis und variabler Spitze, also variablem Seitenverhältnis, genau auf einem Kreisbogen.

Dieses Einbeschreiben läßt sich natürlich bis in alle Ewigkeit nach innen fortsetzen, denn die Dreiecke werden mit gleichem Faktor kleiner, also niemals verschwinden. Entsprechend läßt sich die Folge der Dreiecke auch nach außen fortsetzen; die Spirale bleibt dabei selbstähnlich, sie kann allein durch eine Drehung weiterhin durch alle Dreiecksspitzen gehen. Das wird in der folgenden Graphik verdeutlicht, bei der die Dreiecke in der Grundeinstellung goldene Dreiecke sind; aber auch hier läßt sich das Seitenverhältnis per Schieberegler ändern. Man startet die Animation, indem man mit dem seitlichen Schieberegler eine Zoomgeschwindigkeit einstellt.

Seitenverhältnis:

 

Rein-/rauszoom-Geschwindigkeit:

 

Der Umstand der Selbstähnlichkeit kann zur optischen Täuschung führen, daß man meint, eine sich drehende Spirale vergrößere oder verkleinere sich. Auch hierzu eine Animation, bei der man die Anzahl der Spiralarme und das Spiralstreckverhältnis sowie die Rotationsgeschwindigkeit einstellen kann. Der Effekt wird dadurch verstärkt, daß der Zwischenraum zwischen den Spiralarmen abwechselnd schwarz und weiß eingefärbt ist.
 
Die Animation startet übrigens durch Wahl einer Rotationsgeschwindigkeit mit dem Schiebregler... (initial ist sie auf 0 eingestellt).

Spiralverhältnis

Anzahl Spiralarme

Spirale rechtsdrehend

als Scheibe

 
Rotationsgeschwindigkeit:

 

Abschließend eine Betrachtung, die mit der Anordnung von Blättern oder Samenständen bei Pinien-/Tannenzapfen oder Sonnenblumen zu tun hat. Ordnet man auf einer Spirale (nicht unbedingt einer logarithmischen, die ich aber hier zugrunde lege), die Objekte (Samen, Blätter o.ä.), hier durch Kreise versinnbildlicht, immer in gleichen aueinanderfolgenden Winkelabszänden an, so ist klar, daß sie etwa bei einer genauen Dreiteilung des Vollkreises alle auf genau drei Radien vom Mittelpunkt aus liegen, was nicht besonders günstig ist.. Der günstigste Fall wird dann erreicht, wenn sich die Winkelpositionen möglichst nie wiederholen, und diesem Idealfall kommt man nahe, wenn der Winkelabstand im goldenen Schnitt zum Vollkreis steht (bzw. in seiner Differenz zu zwei oder gleichwertig der Differenz seines Kehrwerts 0,618 zu 1). Der Quotient aufeinanderfolgender Fibonaccizahlen (1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, ...), bei der jede Zahl die Summe ihrer beiden Vorgänger ist, konvergiert sehr rasch gegen den goldenen Schnitt. Es ist sicher kein Zufall, daß man diese Verhälnisse quasi überall in der Natur vorfindet.

Interessant ist übrigens, daß man ab einem gewissen, ziemlich genau feststellbaren Verhältnis zwischen Spiralverhältnis und Versatzwinkel nicht mehr die Lage auf den erzeugenden Spiralen wahrnimmt, sondern auf sich sehr viel langsamer drehenden gegenläufigen Spiralkurvenscharen. Versuchen Sie einmal, diese zu zählen!

Die Möglichkeiten der folgenden interaktiven Ausprobiergraphik kann man selbst erforschen. Bitte Vorsicht: Bei zu kleinem Innenkreis und engem Spiralverhältnis können übermäßig viele Kreise zu zeichnen sein, so daß sich das Programm einen Wolf rechnen muß (um bei den Metaphern aus der Natur zu bleiben).

Spiralverhältnis

Innenkreisradius

Versatz aufeinanderfolgender Samen:
  Fib.: 8/21 Vollkreis
  Grad: 137,143°

Samenkernradius
fest bzw. minimal
automatisch maximal
  Innenkreis berücksichtigen

© Arndt Brünner
19. 7. 2024
Version: 28. 7. 2024