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Dürers Konstruktion (Spinnenlini)

Die Pascalsche Schnecke

Die Pascalsche Schnecke ist eine algebraische Kurve, die auf verschiedene Weisen konstruiert werden kann, Das kann man auf dieser Seite interaktiv nachvollziehen und studieren. Zu den mathematischen Hintergründen siehe die Erläuterungen ↓unten.

Die Bezeichnung der Pascalschen Schnecke bezieht sich auf Étienne Pascal (1588-1651, Vater von Blaise Pascal), der diese Kurve 1637 entdeckte. Allerdings beschrieb sie Albrecht Dürer bereits 1525 in seiner Unterweysung der Messung mit einer vollgültigen Konstruktionsbeschreibung. Siehe → hier.

Bei allen Konstruktionen können die relevanten Punkte per Maus verschoben werden, bei der Enveloppen-Konstruktion Mittelpunkt und Radius des Kreises, auf dem die Mittelpunkte der Kreise liegen, die durch den Ursprung gehen und als Einhüllende die Pascalsche Schnecke formen. Wenn man das automatische Einpassen deaktiviert, ist Verschieben und Zoomen der kompletten Graphik per Maus und Mausrad möglich.

 

a = 2

a/b = 2
→ 2

automatisch einpassen

Konstr. 1 (Abstände)
Konstr. 2 (Tangente+Lot)
Konstr. 3 (Einhüllende von Kreisen)
    komplett zeigen
Konstr. 4 (rollender Kreis)
Dürers Spinnenlinie

Trisektrix (nur für a=2b)

Koordinatenachsen
  -skalierung

a-/b-Beschriftung

φ = 45°

Animation:
 aus
 Konstr. 1
 Konstr. 2
 Konstr. 3
 Konstr. 4
 Dürer
Tempo:
im Uhrzeigersinn

© Arndt Brünner, 5. 10. 2024
Version: 9. 10. 2024

 

Zur Mathematik
Vorbemerkung: Das rechtwinklige Dreieck im Thaleskreis mit der Hypotenuse a (Durchmesser des Thaleskreises) hat bzgl. des Winkels φ die Ankathete a·cos(φ).
Siehe Abb.  1.

 

Daraus ergibt sich sofort einerseits die Polardarstellung der Pascalschen Schnecke ρ(φ)=(a·cos(φ)+b) (jeweiliger Abstand des Kurvenpunkts vom Ursprung, vom Winkel gegen die x-Achse abhängig).
Für cos(φ)>b/a ergeben sich die Punkte P der äußeren Schleife, für cos(φ)<b/a die Punkte P' der inneren Schleife.

Andererseits erklärt sich dadurch, daß die Abstände P'A und AP konstant gleich b sind, also die Konstruktion der Kurve als die sog. Konchoide des Kreises von einem Pol auf dem Kreis aus.


Abb. 1
  
Abb. 2
Aus Abbildung 3 erklärt sich, daß die Pascalsche Schnecke auch Fußpunktkurve zu einem Kreis und einem festen Punkt ist. Es ergibt sich die gleiche Darstellung, wenn der Kreis den Radius b hat und der Abstand des Fixpunkts zum Kreismittelpunkt a ist.

 

Albrecht Dürer beschrieb, wie eingangs schon erwähnt, in seiner Unterweiung zur Messung (Nürnberg 1515) eine Kurve (Spinnenlini, siehe → hier), die ebenfalls mit der Pascalschen Schnecke identisch ist. Von einem festen Punkt A aus soll mit fester Länge eine Strecke zum Punkt B gezeichnet werden und von dort mit ebenfalls fester Länge ein Punkt C, wobei die Richtung um die gleiche Gradzahl gedreht wird, wie schon AB aus der Grundrichtung herausgedreht wurde. (Dürer nimmt dafür die Vertikale und dreht im Urzeigersinn.)
Mit |AB|=d=a und |BC|=c=b/2 ist |OC| exakt 2d·cos(φ) + c = a·cos(φ) + b, also der bekannte Abstand |OP| des Kurvenpunktes vom Ursprung, in Abhängigkeit von φ. (siehe Abb. 4)


Abb. 3
  
Abb. 4
Abrollender Kreis, spezielle Epizykloide: Die Pascalschne Schecke ist im Spezialfall a=b eine Kardioide, d.h. die Orskurve eines Punktes auf einem Kreis, der auf einem anderen Kreis mit gleichem Radius abrollt. (Abb. 5)

Verallgemeinert man insofern, als dieser Punkt zwar auf der festen Speiche und dort an fester Stelle bleibt, also im konstanten Abstand zum Kreismittelpunkt, der aber nicht mehr dessen Radius entsprechen muß, so ergibt sich Dürers allemeine Konstruktion der Spinnenlinie. (Vergl. Abb. 6 mit Abb. 4)

 

Der Nachweis, daß die Pascalsche Schnecke auch Enveloppe (Einhüllende) von Kreisen ist, deren Mittelpunkte auf einem festen Kreis liegen und die durch den Polpunkt O gehen, der selbst nicht auf dem festen Kreis liegen muß (siehe Abb. 7), ist wesentlich komplizierter.
An dieser Stelle nur zum (einfachen) Zusammenhang zwischen dem Radius dieses Kreises und den Parametern a und b: Die Kreismitte liege in M(m,0), der Kreis habe den Radius r. Da die innere Schleife die x-Achse bei a-b schneidet und die äußere Schleife bei a+b (das folgt sofort durch Einsetzen von φ=0 und φ=π in die o.g. Polargleichung), muß m+r=(a+b)/2 sein, denn der Kreis mit Mittelpunkt in (m+r|0) muß zum Ursprung den gleichen Abstand haben wie zu (a+b|0); und m-r=(a-b)/2, was die Bedingung für den Kreis mit Mittelpunkt (m-r|0) darstellt. Per Subtraktion der Gleichungen folgt r=b/2, und per Addition m=a/2.
Für den komplizierteren Rest des Nachweises, der nicht ohne Differentialrechnung auskommen wird, siehe diese →.

 

Auch zur Winkeldreiteilung durch die Pascalsche Schnecke hier zunächst nur zum wie? (Siehe Abb. 8)
Falls a=2b ist, kann mit der inneren Schleife der Pascalschen Schnecke ein Winkel gedrittelt werden. Dazu zeichnet man einen Kreis um O mit dem Radius b (=a/2=a-b). Der Schnitt mit der positiven x-Achse fällt mit der Nullstelle der inneren Schleife zusammen; der Punkt heiße A. Mit dem Winkel α, den man drittel möchte, wird gegen die x-Achse gemessen von O aus ein Strahl gezeichnet. Dessen Schnitt mit dem Kreis sei C. Die Strecke AC schneidet die innere Schleife in B.
Der Winkel ∡AOB drittelt nun den Winkel α=∡AOC.
Einen Beweis findet man in dieser →. (Etwas simpler wäre schöner — mir fällt aber momentan nichts Simpleres ein. Nebenbei angemerkt will ich mich auch nicht selbst zu arg im aktuellen Kampf gegen diese netten SarsCov2-Eindringlinge behindern.)


Abb. 5
 
Abb. 6
Abb. 7  
Abb. 8
Zur algebraischen Darstellung
Da der Radiusvektor r nach der Definition der Pascalschen Schnecke (siehe oben) ρ(φ)=a·cos(φ) + b ist, für die x-Koordinate x=r·cos(φ) gilt und nach Pythagoras der Zusammenhang r² = x² + y² ist (vgl. Abb. 9), können durch diese Substitutionen cos(φ) und r nach und nach durch x und y ersetzt werden, wodurch sich die algebraische Darstellung ergibt. Hierzu wird zunächst mit r multipliziert, was bewirkt, daß die Darstellung für den Ursprung nicht valide ist (denn dort ist ja r=0).
Zur Problematik des Quadrierens im 4. Schritt sei hier nur angemerkt, daß b·r bzw. r immer genau dann negativ ist, wenn auch x²+y²-ax negativ, also ax>r² ist.

r = a·cos(φ) + b|  · r
r2 = a·r·cos(φ) + b·r|  r2 → x2+y2   und   r·cos(φ) → x
x2 + y2 = a·x + b·r|  − a·x
x2 + y2 − a·x = b·r|  quadrieren
(x2 + y2 − a·x)2 = b2·r2|  r2 → x2+y2
(x2 + y2 − a·x)2 = b2·(x2 + y2)

Abb. 9

© Arndt Brünner, 5. 10. 2024
Version: 9. 10. 2024